Bericht des Kontaktaktivisten der Räumung im Treburer Wald

Aus persönlichen Gründen war es mir nicht möglich, dauerhaft Teil der Besetzung zu sein. Allerdings war ich bereits früh immer wieder als Unterstützer anwesend, und konnte so ein gutes Verhältnis zu den Menschen und Wesen aufbauen.

Ich habe oft das Camp besucht und dabei seine Entstehung miterleben dürfen. In den Wochen vor der Räumung habe ich aktiv mit Menschen und Wesen über eine mögliche bevorstehende Räumung gesprochen. Mögliche Gefahrenstellen wurden benannt und auch der Einsatz von mir als Kontaktaktivist abgestimmt.

Mein Auftrag an mich: Keinem Wesen, das den Wald betritt, soll etwas geschehen, weder den Aktivisten noch den Polizisten. Eine Räumung ist unausweichlich (zu wenig Support), es ist an uns, die Bilder zu produzieren, die wir haben möchten, Verletzte oder gar Tote gehören nicht dazu.

Am Abend vor der Räumung erhielt ich dann die Alarmmeldung für die bevorstehende Räumung.
Also letzte Absprachen mit Menschen treffen und Sachen packen.

Zu meiner Ausrüstung gehörten, neben Verpflegung und dem Wetter angepasster Kleidung, eine Powerbank und eine Warnweste.

Die Info war: Räumung morgen früh.
Die Überlegung von uns: keine Räumung vor Sonnenaufgang (7:25 Uhr)
Morgens um 6:00 Uhr: der Wecker klingelt.
Morgens um kurz vor 7 Uhr klingelte das Handy: Hätte ich mir denken können, dass die 30 Minuten vor Sonnenaufgang die Räumungsverfügung verlesen. *grmpf*
7:30 Uhr: Ich komme an, das schwere Räumgerät hängt noch an Barrikaden fest.

Jetzt beginnt also der Selbstversuch:
Ich suche nach dem Einsatzleiter, leider ist der Räumungsbereich schon umstellt.Also stelle ich mich bei allem, das mehr als 3 Pickel (ab 3 Pickel hat so ein Polizist wenigstens eine Meinung) auf der Schulter hat, mit den Worten „Schönen guten Tag ich bin Ihr Kommunikator für die Besetzung“ vor.
Leiterin Pressestelle – nicht meine Aufgabe
Leiter Technische Einheit (die, die die Lock-Ons öffnen und Geräte rangieren) – Ich melde mich später bei Ihnen … und verschwand.
Einsatzleiter A – nicht mein Zuständigkeitsbereich
Einsatzleiter B – Bitte wenden Sie sich an die Pressestelle.
Mitarbeiter Pressestelle – OK, ich frage mal nach, ob sich jemand um sie kümmern kann.

20 Minuten und einige Gespräche mit Presse und Unterstützern später:
Der Einsatzleiter taucht auf und fragt, was er für mich tun kann.
Ich erläutere ihm, dass eine Räumung auch für die von ihm eingesetzten Polizeikräfte gefährlich ist, und dass die Besetzer mich damit beauftragt haben, ihn auf mögliche Gefahrenstellen hinzuweisen.
Zu diesem Zeitpunkt wird bereits die erste Person durch das SEK von einem Tripod geräumt.
Seine zu erwartende Frage: „Ja, gibt es denn Gefahren?“
(*wirbeidelächeln* – wissend, dass wir gerade ein Schachspiel begonnen haben.)
Meine Antwort: „Es gibt da zum Beispiel den Kühlschrank.“ (Dieser lag leicht außerhalb des zu räumenden Gebiets.)
Seine Antwort: „Und wo soll der sein?“ – Ich deute grob in die Richtung (was in einem Wald auf 300 m Entfernung wohl einen Bereich von der Größe eines Tennisfeldes abdeckt).
Während dessen rückt das Räumgerät weiter auf die Besetzung zu.
Ich schlage ihm vor, dass er mich über alle Bewegungen von schwerem Gerät im Wald unterrichten soll, und mit mir die zu befahrenden Wege begehen soll.
Er willigt ein und schon bewegen wir uns auf einer bereits zuvor dagewesenen Schneise geradlinig auf den Kühlschrank zu. Etwa 15 m vor dem Kühlschrank bleibt der Einsatzleiter stehen und deutet Richtung erste Plattform. Ich erkläre ihm, dass er die Fahrzeuge ohne besondere Gefahr (außer der Löcher auf den Wegen, die er selbst sehe) bis an seine Position heranfahren lassen könne.

Während das Räumgerät sich heranarbeitet, machen wir eine Runde zu den Besetzern, um zu fragen, ob es ihnen gut gehe, und um zu zeigen, dass ich als Kommunikator für sie da bin. Ein Mensch in einem Lock-On wünscht sich, dass eine Vertrauensperson über den Zustand „alles bestens“ informiert wird.

Alle Informationen, die ich bekomme, gehen über einen verschlüsselten Kanal und Supportstrukturen, die daraus den EA, Twitter oder Freunde informieren.

Mittlerweile trifft das Räumgerät ein und der erste Mensch wird von der Plattform gepflückt.
Ohne mich erneut zu fragen, dreht die Hebebühne und setzt sich weiter in Richtung Besetzung in Bewegung.
*sichtlich nervös deute ich auf die Hebebühne* „ÄÄÄÄ NEIN“ „Stopp!“ Als hätte der Einsatzleiter nicht gewusst, dass SEINE Hebebühne sich wieder in Bewegung setzt, unterbricht er sein Gespräch und stoppt die Hebebühne.
„Gibt es Probleme?“, fragt er mich. (Innerlich bedanke ich mich, dass er das Schachspiel gerade verloren hat.)
Meine Antwort ist klar: „Ja: Sie hatten eine klare Aussage, bis wohin Sie ungefährdet arbeiten können, und dass es Gefahren gibt. Sollten Sie kein Interesse an diesen Informationen haben, lassen Sie es mich wissen und ich verlasse diesen Wald … Natürlich werde ich die Presse darüber informieren. Sollte dann ein Mensch zu Schaden kommen, ist es nicht mehr in unserer Verantwortung.“
Sichtlich angefressen verneint der Einsatzleiter mein Angebot den Wald zu verlassen, und bittet mich, die neue Route mit ihm zu begehen. Nach einigen Metern bleibe ich stehen, deute auf eine Fläche von etwa 20×20 Metern, die von der Hebebühne befahren werden könnte, um das Camp zu erreichen, und die zu beiden Seiten von im Boden angeketteten Aktivisti begrenzt wird.
„Da war mal ein Kühlschrank“.

Einsatzleiter (entnervt): „Noch einer?“
Ich *entschuldigend*: „Nach dem Brand musste hier einiges neu und umgebaut werden.“

Gemeinsam mit seinen Adjutanten beginnen wir mit der Suche, aber leider finden wir ihn nicht auf Anhieb (trotz losem Sand auf dem Laub. 😉 ) Ich grenze den Suchradius weiter ein, während ich mich entschuldige, dass der Wald nachts und bevor die Zelte weggeräumt wurden, noch anders aussah (was der Tatsache entspricht.) Der Einsatzleiter lässt also die Hebebühne weiter rollen, (in diesem Moment zweifelte er an meiner Aufrichtigkeit) während ich mit dem Fuß durch den losen Sand wühle, um dem Einsatzleiter nach kurzem Suchen einen Holzdeckel im Boden zu präsentieren.
Seine Frage: „Ist da jemand drin?“ beantworte ich wahrheitsgemäß mit: „Keine Ahnung, ich hoffe nicht. Wir können ja den Menschen, der da drüben im Boden festgekettet ist, fragen.“ Auch dort lautet die Antwort: „Eher nicht.“
(Der Einsatzleiter wirkt sichtlich unentschlossen, was er mit der Information anstellen soll.) Ich erkläre ihm, dass ich nicht wisse, wie lang der Keller sei, und dass ich Bedenken hätte, den von mir beschriebenen Bereich zu befahren, da „das Einsinken einer Hebebühne mit ausgefahrenem Korb diese zu einem tödlichen Katapult machen könne, welches die Menschen die sich darauf und darunter … bla bla bla … gefährde.“ Es kommen Menschen mit Schaufeln, die den Keller ausgraben. 😉
Währenddessen wird ein weiteres Baumhaus geräumt. (Ab diesem Moment war klar, dass wir ab jetzt zusammen arbeiten würden.) Dass es im Anschluss daran zu keinen größeren Gefährdungen durch Bodenstrukturen kommen würde, konnte zu diesem Zeitpunkt keiner abschätzen.
Erneut wurde eine Runde zu den Besetzern gedreht und geprüft, ob es allen gut ginge und ob sie gut behandelt würden.
Dazwischen: warten, Nachrichten schreiben, telefonieren und versuchen, keinen Zug der etwa 500 Einsatzkräfte zu verpassen.
Etwas später werden wir wieder gerufen, die Hebebühne möchte sich bewegen. (Geschafft, denke ich und gebe das OK.)
Nachdem sie gewendet hat und wieder über den mittlerweile planierten Hauptweg weiter Richtung nächstes Baumhaus gefahren ist, deutet der Einsatzleiter in den Wald zu einer Gruppe SEK-Cops. Wir nähern uns und ich bekomme den Auftrag zu warten. (Hier war es mir wichtig, einen gewissen Respekt darzustellen, auch wenn die Einsatzplanung (hinter mir eine Hebebühne, vor mir das SEK und davor ein Baumhaus) doch ziemlich offensichtlich war.) Während ich so da warte, schaue ich in die Baumkronen und versuche zu erkennen, ob es dort noch Walkways gibt.

Da laufen auch schon Waldarbeiter an mir vorbei. „Wollen Sie hier etwa eine Schneise fällen?“ , frage ich den Adjutanten des Einsatzleiters, da er gerade in der Nähe ist.
Ääh, keine Ahnung? Wieso? Gibt es Probleme?“, fragt er.
Ich lasse den Kopf sinken. (Das Spiel hatte ich doch mit dem Einsatzleiter fertig.) „Ja! Sollten hier Walkways sein und ihre Leute fangen an Bäume zu fällen und einer dieser Bäume bleibt in einem Seil hängen … dann ist das gefährlich.“ Der Adjutant sichtlich unüberzeugt „Aber von da hinten bis hier ist ein ziemlich weiter Weg. Gibt es da den Walkways?“
Ich, mittlerweile genervt: „Keine Ahnung, ich hab Höhenangst!“
Die Hebebühne findet einen Weg, ohne einen Baum zu fällen und während das SEK hochfährt erkennen ich, das SEK und der Adjutant die Walkways.

Der Blick des Adjutanten dazu lag irgendwo zwischen Unglauben, Dankbarkeit und Scham.
Oben angekommen konnte das SEK nur einen der zwei Menschen aus dem Baum retten und das gesamte Baumhaus zerstören, da der letzte Mensch sich unerreichbar auf die Krone des Baumes begeben hatte.
Da er sich dort nicht sichern konnte, zogen sich die Einsatzkräfte zurück. Diese Information leitete ich nach Rücksprache mit dem Einsatzleiter weiter, damit der Mensch, der auf der Baumkrone nicht viel vom Boden sehen konnte, etwas nach unten klettern konnte, und sich so wieder sichern konnte.
Währenddessen waren alle Menschen bis auf eine Person in einem Lock-On und die Person auf dem Baum (der leider nicht in der Rodungszone stand) geräumt worden.
Jetzt hieß es warten.

Als die letzte Person nach sieben Stunden sichtlich erschöpft aus ihrem Lock-On geholt wurde, wurde ich anstandslos zu ihr gebracht, und konnte so für den Menschen einige Minuten da sein.
Danach bedankte ich mich bei dem Einsatzleiter und verließ den Wald.

Keiner der Aktivisten und keiner der Polizisten kam an diesem Tag zu Schaden.

Gegen die Übermacht von 1000 Polizisten hätte sich das Camp nicht verteidigen können. Aber die wenigen Menschen, die seit Januar ihre Energie in den Protest investiert hatten, wurden gehört.

An dieser Stelle geht mein Dank an alle Beteiligten, und eine Mahnung an alle Einsatzleiter.